Dirigent Tarmo Peltokoski und Pianist Jan Lisiecki prägen das Gastspiel der Kammerphilharmonie Bremen, Franui und Maschek synchronisieren einen Stummfilmklassiker
Dirigent aus Finnland, noch keine dreißig Jahre alt, Schüler des legendären Jorma Panula. Amtierender sowie designierter Musikchef von Klangkörpern in Europa und anderswo. Exklusivvertrag bei einem renommierten Klassiklabel. Brillenträger. Der Name welchen Musikers fällt einem bei dieser Aufzählung biografischer Eckpunkte augenblicklich ein? Genau: Klaus Mäkelä. Der 28-jährige Finne, Chef von Orchestern in Oslo und Paris und bald auch in Amsterdam und Chicago, ist aber nicht gemeint. Da gibt es noch einen anderen, auf den diese Beschreibung ebenfalls zutrifft: Tarmo Peltokoski.
Der junge Musiker aus der Region Österbotten ist gerade einmal 24 Jahre alt und leitet schon seit 2022 das Lettische Nationale Sinfonieorchester. Beim Orchestre National du Capitole de Toulouse amtiert Peltokoski seit September als designierter Musikdirektor, beim Hong Kong Philharmonic wird er dies (als Nachfolger von Jaap van Zweden) ab 2025 ebenfalls tun. Erster Gastdirigent ist der Jungspund aber natürlich auch schon, und zwar bei den Rotterdamer Philharmonikern und bei der Kammerphilharmonie Bremen. Und mit denen kommt Peltokoski bald ins Wiener Konzerthaus.
Chemie hat gestimmt
Die Verbindung mit dem norddeutschen Klangkörper, der in den 1980er-Jahren aus einem basisdemokratisch organisierten Zusammenschluss von Musikstudenten hervorgegangen ist, ist für den Dirigenten nicht eine von vielen. Im Juni 2021 hat Peltokoski mit der Kammerphilharmonie sein Deutschlanddebüt gefeiert. Dabei muss die Chemie gestimmt haben, denn im Jahr darauf erkoren ihn die Musikerinnen und Musiker zu ihrem Ersten Gastdirigenten (Chefdirigent des Orchesters ist Paavo Järvi). In einem Interview spricht Peltokoski denn auch rückblickend von einer „Liebe auf den ersten Blick“, die Kammerphilharmonie Bremen bezeichnet er als mittlerweile als seine „Familie“.
… und Dirigent Tarmo Peltokoski. Peter Rigaud
Mit seinen Familienmitgliedern aus der Hansestadt hat der Sohn eines finnischen Vaters und einer philippinischen Mutter in diesem Frühjahr auch seine erste CD veröffentlich. Beim renommierten Klassiklabel Deutsche Grammophon hat man zusammen drei Mozart-Symphonien aufgenommen: die Haffner und die Linzer sowie die g-Moll-Symphonie. Zusätzlich hat Peltokoski (auf der digitalen Version) auch noch drei eigene Klavierimprovisationen eingespielt, die auf verspielte Weise auf die symphonischen Werke Bezug nehmen.
Ein junger Pianist
Auf den Solisten des Bremer Gastspiels im Wiener Konzerthaus, Jan Lisiecki, wartet mit dem ausgebildeten und preisgekrönten Konzertpianisten Tarmo Peltokoski also ein Dirigent, der auch von seinem Metier professionelle Kenntnisse hat. Bei der Interpretationsarbeit zu Beethovens fünftem Klavierkonzert werden sich der 24-jährige Orchesterleiter und der 29-jährige Pianist also auf Augenhöhe begegnen können. Erst im Februar dieses Jahres hat Lisiecki im Wiener Konzerthaus bei seinem originell programmierten Soloabend aufhorchen lassen: Der kanadische Jungstar hat Präludien aus allen Stilepochen mit stupendem technischem Vermögen und interpretatorischer Akribie zu einem großen Ganzen verschmolzen.
Was spielen die Bremer sonst noch an diesem Abend? Verständlicherweise Mozart – wenn man sich diesem doch gerade im Tonstudio gewidmet hat. Zwei Symphonien in umschattetem Moll umrahmen Beethovens prachtvolles Klavierkonzert. Das ist an sich schon bemerkenswert, sind doch im Schaffen des Wiener Klassikers Werke in traurigen Tonarten in etwa so rar wie Nebellagen und Stürme im August. Nun sind es auch noch zwei Symphonien in derselben Tonart, in g-Moll: Neben der 1772 entstandenen Symphonie KV 183 wird selbstverständlich auch die große, 16 Jahre später entstandene g-Moll-Symphonie KV 550 gespielt.
Man darf gespannt sein, auf welche Art und Weise es dem jungen Dirigenten gelingen wird, die Fülle der seelischen Disparatheiten, die dieses einzigartige Werk bereithält, dem Publikum des Wiener Konzerthauses zu vermitteln. (Stefan Ender)
Franui und Maschek – links an der Wand Peter Hörmanseder und dahinter Robert Stachel – widmen sich einer Schnitzler-Verfilmung. Alexi Pelekanos
Franui und Maschek beleben „Fräulein Else“
Die originelle Musikbanda Franui hat einen Hang zu speziellen Projekten. Traditionelles ungewohnt zu servieren liegt quasi im Erfolgswesen dieser Combo, deren Namen von einer Wiese herrührt, die auf stolzen 1402 Meter Seehöhe in jener Tiroler Gegend namens Innervillgraten liegt, aus dem einige Teilnehmer des Ensembles stammen.
Gemeinhin fusioniert Franui Klassik der Musikgeschichte mit volksmusikalischen Aspekten. U.a. Joseph Haydn, Franz Schubert und Gustav Mahler, also: vieles dabei, was zum Kernrepertoire der Klassik gehört. Nun aber geht es um Literatur und Film. Arthur Schnitzlers berühmte Novelle Fräulein Else wird in der Stummfilmverfilmung von Paul Czinner (1929) gezeigt. Zusammen mit dem Kabarettistenduo Maschek, also Robert Stachel und Peter Hörmanseder, haben Franui – beauftragt von der Hamburger Elbphilharmonie und dem Wiener Konzerthaus – einen Rahmen geschaffen, der sich auf die Erzählung bezieht. Musikalisch haben sich Franui-Leiter Andreas Schett und Markus Kraler an Werken von Mozart, Schubert, Schumann, Satie, Wilhelm Grosz und Bartók orientiert. Warum diese musikalische Wahl? Man ging davon aus, dass „sowohl Arthur Schnitzler als auch Czinners Darsteller und Darstellerinnen“ mit dieser Musik „vertraut gewesen sein dürften“.
Natürlich wird es keine strenge Wiederbelebung von Historie geben. Dafür dürfte auch – wie angekündigt – „Mascheks typische Synchronisation“ verantwortlich sein, die „weit von Schnitzlers Tragik entfernt ist.“ Beim Klassiker der Wiener Literaturmoderne geht es um die betuchte Else Thalhof, Tochter eines angesehnen Rechtsanwalts, der allerdings in finanzielle Not gerät.
Else, gerade entspannt auf Winterurlaub im verschneiten St. Moritz, soll auf Bitte ihrer Mutter helfen. Konkret: Sie möge den wohlhabenden Kunsthändler Dorsday um ein Darlehen bitten. Dieser stimmt zu, allerdings unter der Bedingung, Elese nackt sehen zu dürfen. Die Sache geht nicht gut aus.