Was haben Hitlers Tagebücher, Stradivari-Geigen, Klimt und Vermeer gemeinsam? Sie alle sind gefälscht. Ein kleines Museum in Wien widmet sich der Schwindelei
Chagall, Monet, Picasso, Vermeer. Klimts Judith und Holofernes. Drucke, Radierungen, Skizzen aus der Werkstatt Raffaels. Das kleine Museum im dritten Wiener Bezirk hat eine imposante Sammlung großer Künstler zu bieten. Bei genauerem Hinsehen dürften die Bilder, die im Untergeschoß der unscheinbaren Adresse im Schatten des Hundertwasserhauses zu sehen sind, einen jedoch allzu sehr an den Besuch im Belvedere oder dem Kunsthistorischen Museum erinnern. Bald klingelt’s: Hängt dort nicht auch die Madonna mit Kind?
Das Fälschermuseum ist ein Ausflugsziel für alle, die sich vor dem einen oder anderen Picasso schon einmal gedacht haben: „Also, das könnte ich auch!“ Seit 2005 gibt es das private Museum in Wien. Neben den „originalen“ Seiten aus den Hitlertagebüchern des Malers Konrad Kujau und gefälschten Stradivari-Geigen sind dort etwa 80 Kopien und Fälschungen bekannter Kunstwerke zu sehen.
Nicht alle davon sind spektakulär gut oder täuschend echt. Bei vielen lässt sich schnell erkennen, dass es sich dabei kaum um ein Original handeln kann. Man besucht das Museum nicht, um sich von großartigem Kunsthandwerk hinters Licht führen zu lassen, sondern um über kuriose Entstehungsgeschichten und skurrile Schöpfer zu staunen.
Bomben und Truthähne
Meisterfälscher Tom Keating etwa versteckte „Bomben“ in seinen Werken: Auf die letzte Farbschicht seiner Rembrandt-Imitate trug er eine Schicht Glyzerin auf, die sich beim Reinigen des Gemäldes auflösen und das ganze Bild verschmieren würde. Den Ermittlern, die seine Werke mit Röntgenstrahlung untersuchten, hinterließ er derbe Nachrichten: Auf die Leinwände schrieb er vor dem Malen Schimpfwörter oder gar das Wort „fake“. In den 1970ern war der raffinierte Brite so beliebt, dass man ihm sogar mehrere Fernsehsendungen widmete. Die Werke, die seine obszöne Note tragen, sind heute Sammlerstücke.
Echt oder gefälscht? Eine echte Elmyr de Hory Monet-Fälschung! Fälschermuseum.
Lothar Malskat führte mit gefälschten Truthahn-Wandmalereien ganz Deutschland an der Nase herum. Von seinen „wiederentdeckten“ Motiven aus dem Jahr 1300 wurden sogar Sonderbriefmarken gedruckt.
Han van Meegerens Vemeer-Fälschung Christus und die Ehebrecherin täuschte trotz auffallend schlechter Maltechnik 1942 unzählige Kunsthistoriker. In Untersuchungshaft versuchte er zu beweisen, dass das Gemälde eine Fälschung sei, und malte im Gefängnis gleich einen weiteren Vermeer. Das Urteil fiel milde aus: Ein Jahr Haft kassierte der Holländer, freuen konnte er sich darüber nur kurz. Er starb unmittelbar nach der Gerichtsverhandlung an einem Herzinfarkt.
Wertloser Kram
Per Audioguide lässt sich also schon mal mehrere Stunden in solche Anekdoten eintauchen. Empfehlenswert ist es, sich von Museumsgründerin Diane Grobe, die die Geschichten mit einem ausgezeichneten Gefühl für die absurden Pointen wiedergibt, selbst durch den Ausstellungsraum führen zu lassen.
Gegenüber vom Hundertwasserhaus befindet sich das kuriose Museum der Fälschungen. Foto: Fälschermuseum
Die Fälschungen an den Wänden seien kaum etwas wert, meint sie. Sobald ein Werk als Fake entlarvt ist, sinkt sein Preis extrem. Die Qualität eines Werkes liegt für Grobe sowieso in seiner Entstehungsgeschichte. Selbst die Gemälde des vor einigen Jahren aufgeflogenen großen Fälschers Wolfgang Beltracchi würden sich nur aufgrund seiner legendenhaften Persona so gut verkaufen. Im Gespräch über den Kunstbegriff bleibt sie hartnäckig: Bloß die Einzigartigkeit seines Mythos mache ein Kunstwerk aus.
Kriminelle Kunstgeschichte
Grobe macht auch auf die Unterschiede zwischen Kopie, Identfälschung und Stilfälschung aufmerksam. Während das Imitieren eines bestimmten Stils mit der falschen Angabe der Echtheit verboten ist, dürfen bestehende Werke 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers nachgeahmt werden. Für gute Kopien sei in der Vergangenheit viel gezahlt worden, erzählt sie. Es war nicht unüblich, sich seinen eigenen Klimt ins Wohnzimmer zu hängen. Auf Wish bestellt sozusagen.
Die Zukunft des Fälschens sei übrigens digital. Die Mühe, Skizzen und Vorzeichnungen auf mit Kaffeesatz vergilbtem Papier zu imitieren oder Ölbilder unter denselben Umständen zu malen, die in der Renaissance herrschten, mache sich kaum jemand mehr. Fälscher haben es heute zunehmend auf Fotografien abgesehen.
Für einen Besuch im Fälschermuseum müsse man keine Kunstkennerin sein, meint Grobe. Aber die Geschichten der Ausstellungsstücken haben die erfreuliche Nebenwirkung, auf Umwegen auch kunsthistorisches Wissen zu vermitteln.